DIE BAHNSTRECKE


Zunächst folgt der Zug von Heiligenstadt aus der Vorortelinie (S45) bis Penzing. Diese war ursprünglich ein Teil der vom Architekten Otto Wagner entworfenen Wiener Stadtbahn, deren Linienführung stark von militärstrategischen Überlegungen (Truppenverschiebungen zwischen den Fernbahnen im Mobilisierungsfall) diktiert war. Deshalb gab es keine Linien direkt ins Stadtzentrum, und die zur Bauzeit in Großstädten bereits übliche elektrische Traktion wurde nicht angewandt.

1894 begonnen wurden die Strecken abschnittsweise zwischen 1898 und 1901 eröffnet und von den k.k. Staatsbahnen betrieben. Das Ende der Dampfstadtbahn erfolgte kriegsbedingt im Jahr 1918, als man sie wegen Kohlenmangels einstellte.

In den 1920er Jahren wurden die Anlagen der Wiental-, Donaukanal- und Gürtellinie an die Gemeinde Wien verpachtet. Sie trennte die drei Linien vom Vollbahnnetz, elektrifizierte sie und eröffnete sie 1925 unter dem Namen Wiener Elektrische Stadtbahn wieder; durch den Tarifverbund mit der Straßenbahn wurde das neue Angebot populär. Für die Linienbezeichnungen wurden die Streckenbuchstaben W (Wiental), D (Donaukanal) und G (Gürtel) kombiniert: WD, G, GD und DG. 1934 ging die Stadtbahn in das Eigentum der Stadt Wien über. Die elektrischen Ursprungsfahrzeuge erhielten in den 1950er Jahren neue Aufbauten aus Stahl und wurden weit bis in die 1980er Jahre eingesetzt. Otto Wagners einmalige Architektur der Stadtbahn-Stationen ist zum beträchtlichen Teil bis heute erhalten geblieben.

Die übrigen Linien der ehemaligen Dampfstadtbahn verblieben in den 1920er Jahren im Besitz der Bundesbahnen und sind heute ins Netz der Wiener S-Bahn integriert.

Der Personenverkehr auf der Vorortelinie wurde im Jahr 1932 eingestellt und die Strecke nur noch für den Güterverkehr genutzt. In den 1980er Jahren wurde die Strecke reaktiviert und wieder zweigleisig eingerichtet.

Die Stationen Baumgarten, Breitensee, Oberdöbling und Unterdöbling wurden in den 1950er und 1960er Jahren abgetragen. Baumgarten und Unterdöbling wurden nicht wieder errichtet. Die heutigen Stationsgebäude in Breitensee und Oberdöbling sind, ebenso wie die ursprünglich nicht vorhandene Station Krottenbachstraße, Neubauten aus dem Jahr 1987, entworfen von Alois Machatschek und Wilfried Schermann.

Acht Kilometer der 14,8 langen Bahnlinie sind mit Stütz- und Futtermauern versehen, um den hügeligen Ausläufern des Wienerwaldes gerecht zu werden. 29 Brücken und fünf Viadukte überspannen die Bahnstrecke. Den schwierigen Geländeverhältnissen musste man mit vier Tunneln Tribut zollen. Obwohl vollständig innerhalb der Grenzen der Millionenstadt Wien gelegen, wird die Vorortelinie auf Grund ihrer Streckenführung als Gebirgsbahn angesehen.




DIE ERHALTENDEN HISTORISCHEN BAHNHÖFE

Otto Wagner rekurrierte auf die ländliche Prägung des Bahnumlandes und gab den Hochbahnstationen eine gewisse ländliche Note. Sie sind wesentlich kompakter als die langgestreckten Hochbahnstationen am Gürtel; die Bahnsteigfassaden ruhen auf rustikalen Natursteinsockeln wie Gersthof: Ein symmetrisch angelegtes Gebäude mit vorspringender Portalzone in der Mitte, von Säulen flankiert, das Portal überwölbt von einer mächtigen Bogenlaibung, in deren Nische zwei steinerne Vasen Platz finden. Die große Halle im Straßengeschoß hat eine Decke mit Stuck-Kassetten und braune Holztäfelung an den Wänden. Braun sind hier auch die Fenster und Türen, erst am Bahnsteig taucht die grüne Farbe auf. Dort befindet sich ein schönes Beispiel für eine der ebenfalls im Atelier Wagner entworfenen Anzeigetafeln, die als Rahmen wechselnder Werbeplakate fungieren.

An den Bahnhof Hernals schließt an der Gersthofer Seite unmittelbar ein Viaduktbogen an.

Weiter in Richtung Hütteldorf folgt der Bahnhof Hernals, an dessen Gersthofer Seite unmittelbar ein Viaduktbogen anschließt. Zwei ganz leicht vorspringende Ecktürme rahmen das Stationsgebäude. Es ist im Unterschied zu Gersthof oder Ottakring betont asymmetrisch: das runde Portal ist seitlich angeordnet und der Bahnsteig setzt sich nicht rechts und links des Aufnahmegebäudes fort, sondern nur an einer Seite. Auch in Hernals sind die Holzfenster und die Türen im traditionellen braun der k. k. Staatsbahnen gehalten, nur am Bahnsteig bei den Stützen und an den großen Eisenfenstern der Bahnsteigfassaden tritt das Stadtbahn-Grün auf.

Ottakring ist wieder symmetrisch angelegt: vorspringende Mittelachse mit Eingang, rechts und links jeweils vier Fensterachsen und daran anschließend die Bahnsteigfassaden auf Bruchsteinsockel. Die Bahnsteigfassaden sind reich durchfenstert, luftige Wände aus Glas mit grünen Metallstäben und weiß verputztes Mauerwerk. Klassisches Schmuckvokabular lockert die weißen Putzflächen auf: Akanthus, Kerben und Kreismotive. Die grünen Eisentraversen über den Fenstern läßt Wagner demonstrativ unverputzt, dekoriert sie aber mit Rosetten. Ebenso beeindruckend wie der ganze Außenbau, ist im Inneren die Halle im Bahngeschoß, ehemals Wartesaal der 3. Klasse. (Seinerzeit gab es auf der Stadtbahn zweite und dritte Klasse, keine erste.) Braune Holztäfelung, eine große Fensterfront an der Straßenwand, drei schwingende Doppeltüren zum Bahnsteig, an den Wänden große Anschlagtafeln, alles in gravitätischem Braun.

Penzing ist eine Station der Westbahn; der eigens für die Stadtbahn errichtete Bahnsteig ist noch wie ursprünglich hölzern überdacht.

Bei Penzing teilt sich die Strecke: wir überqueren den Wienfluß, passieren Speising, die einzige Station an der Verbindungsbahn zwischen Meidling und Hütteldorf, und den stillgelegten Bahnhof Maxing. Auf der Donauländebahn erreichen wir Inzersdorf und Oberlaa, wo ebenfalls einst Personen aus- und einstiegen. Diese Strecke verläuft kurz gemeinsam mit der Pressburger Bahn und ist für den Güterverkehr von großer Bedeutung, dies war auch ihr Ursprung: Sie sorgte für die Erzzufuhr vom Erzberg zu den Hochöfen der Innerberger Hauptgewerkschaft in Klein Schwechat und dem Anschluss diverser Industriebetriebe, z. B. der Brauerei Dreher. Die Donauländebahn zwischen Hetzendorf und Kaiserebersdorf wurde bereits 1872 eröffnet.

Wir zweigen nach Kledering ab, dem größten Verschiebebahnhof in Österreich, der wiederum an der Ostbahn-Linie von Wien Südbahnhof nach Bruck an der Leitha und Budapest liegt. Er ist auf eine Kapazität von 6.100 Wagen pro Tag ausgelegt, die Gleislänge beträgt 120 Kilometer. Der Bahnhof hat eine aus 15 Gleisen bestehende Einfahrgruppe, eine aus 48 Gleisen bestehende Richtungsgruppe und eine aus 10 Gleisen bestehende Ausfahrgruppe. In der Richtungsgruppe befindet sich der Hauptabrollberg, der mit etwa 37.000 Dowty-Retardern betrieben wird. Im Nebenabrollberg sind gewöhnliche Balkengleisbremsen im Einsatz. Zur Steuerung werden fünf verschiedene Rechnersysteme verwendet. Im Frühjahr 1978 wurde mit dem Bau begonnen, die Vollinbetriebnahme erfolgte Ende 1986. Der Zentralverschiebebahnhof dient in erster Linie dem Güterverkehr; es erfolgt aber kein Güterumschlag, die Züge werden zerlegt und neugebildet.

Über Simmering, Erdbergerlände und Praterauen erreichen wir schließlich die Donauuferbahn, eröffnet 1876, da nach der Donauregulierung der Güterumschlag der neu entstandenen Fabriken, Lagerhäuser und Lagerplätze am Stromhafen entlang des Handelskais erheblich zunahm. Bis zum Zweiten Weltkrieg gab es neben dem Güterverkehr auch Personenverkehr, die Stationen Donaukaibahnhof und Donauuferbahnhof sind erhalten. Nach einer langen geraden Strecke erreichen wir die Station Handelskai und damit wieder die Strecke der regulären S-Bahn, auf der unsere Fahrt in Heiligenstadt endet.